In eine Trennungsphase kann man sehr viel über sich lernen – gut … wahrscheinlich in jeder Phase, aber ich befinde mich gerade in dieser und lerne viel aus meiner momentanen Situation. Im Sommer bin ich in eine „ICH SCHAFFE ALLES-Phase“ gefallen, wo ich neue Leute kennengelernt habe, viel unterwegs war, und dem Klischee über Frauen, die ja alles besprechen müssen, total entsprochen habe. Jeden Tag erzählte ich meine Geschichte immer und immer wieder, lauschte den gutgemeinten Ratschlägen, die mich in meinem Glauben bestärkt haben oder auch nicht. Ich machte Aufstellungen und andere Sachen, um loszulassen und war die meiste Zeit gut gelaunt. Arbeitstechnisch ist plötzlich alles sehr gut gegangen, ich fühlte mich wie auf Wolke 7.
Ich hörte von den Menschen, dass ich mutig sei, weil ich gegangen bin. Über diese Worte habe ich sehr oft und lange nachgedacht, da ich es nicht so gesehen habe. Ich wollte einfach nicht mehr mit jemandem zusammen bleiben, der bei der Vorstellung NUR mit einer Frau zu sein, verzweifelt. Da habe ich es vorgezogen, das „Allein-Sein“ zu wählen, anstatt irgendwo drin zu stecken, wo ich kaputt gehe. Also ja, vielleicht war ich wirklich mutig, indem ich MICH statt ihn gewählt habe.
Nur „außen“ sein …
Diese ganze Rederei war mir irgendwann mal genug. Ich spürte – es tut mir nicht mehr gut, also beschloss ich damit aufzuhören und nur auf meine innere Stimme zu hören. Ich habe verstanden, dass ich eigentlich die ganze Zeit nur „außen“ war, also in meinem männlichen Anteil, der etwas lösen wollte, tun wollte, anstatt zu spüren. Ich habe seit der Trennung meine Weiblichkeit, die ganz anders funktioniert, verdrängt, weil ich nicht sehen konnte oder wollte, wie es mir wirklich geht. Ich wollte nicht spüren, fühlen und in die Dunkelheit meiner Gefühle und Emotionen gehen.
Deshalb beschloss ich, alleine auf Urlaub zu fahren, um mich meiner Weiblichkeit und all dem was damit verbundenen ist, zu widmen. Ich habe mir eine wunderbare Pension ausgesucht, ohne Fernsehen, ohne WLAN, nur Sonne, Wasser, Natur und Zeit, all die Eindrücke, die ich angesammelt hatte, zu sortieren und anzuschauen. Ich wusste es würde kein Spaziergang für mich werden – mit den Familien, die hier Urlaub machten – ihnen ohne Tränen zuzuschauen, wohl wissend, dass meine Familie gerade kaputt gegangen ist. Das ist mir hier zum ersten Mal so richtig klar geworden. Mein zu Hause, die gemeinsame Zeit, das Lachen, die Ausflüge, die Abendessen … all das wird nie wieder so werden, wie früher. Jede Familie hat eine innere Vertrautheit, die ihr ganz eigen ist. Dieses Gefühl, diese ganz spezielle und unwiederbringliche Nähe, war jetzt für immer weg, denn diese Familie gibt es so nun nicht mehr. Die ersten Tränen flossen, meine Maske der Coolness, die ich die ersten Wochen gelebt habe, hatte erste Risse bekommen. Alles rund um mich hat mich angetriggert. Ich sah nur glückliche Familien, die mir ständig schmerzlich bewusst machten, dass der Traum von meiner Familie dahin war.
Aber auch …
Der Urlaub hat mir auch eine andere Seite in mir aufgezeigt. Ich war alleine, weil ich es mir bewusst so ausgesucht hatte. Meine Gedanken gingen nicht der Frage nach, was ich etwa für meine Kinder tun konnte oder für jemand anderen, sondern was ich für mich tun kann, heute, jetzt, in dem jeweiligen Moment. Es war fantastisch. Im Wasser schwimmend habe ich mich umgeschaut und die Berge und Wiesen gesehen, dem herrlichen Wirrwarr der Stimmen zugehört, die Sonne gespürt und die Tränen sind schon wieder geflossen, nur diesmal vor Glück. Ja, ich war alleine und konnte machen, worauf ich Lust hatte. Nach dem Schwimmen einfach liegen und in die Luft schauen, essen, faulenzen so lange ich will, herrlich, einfach nur herrlich.
Ich war in Trauer und Freude gleichzeitig, habe genossen und geweint. War so stolz auf mich, trotz allem offen zu bleiben, mir was zu gönnen und auf Menschen zuzugehen. Bin glücklich nach Hause gegangen und habe – naiv wie man manchmal eben ist – gedacht, dass ich mit der Trennung abgeschlossen habe.
Die dunkle Seite …
Der Panzer, der anfing zu bröckeln, ist endgültig zerbrochen, als ich sah, wie die neue Freundin meines Ex’ das bekommen hat, was ich immer wollte. Ich fühlte mich komplett verarscht und hatte plötzlich alle Frauen verstanden, die zu Hause die Kinder hüteten, sich zurückgehalten und zurückgenommen haben, um es allen recht zu machen und dem Mann Raum zu schaffen, sich zu verwirklichen und dann nach der Trennung zuschauen zu müssen, wie ihre Ex-Partner das Leben mit der Neuen genießen. Und da war sie, die Palette an Gefühlen und Emotionen erster Sahne. Alles was in mir zu finden war, ist rausgekommen – Hass, Wut, Zorn, Verachtung, Liebe, Traurigkeit, Fassungslosigkeit, Enttäuschung, mein leidendes und gebrochenes Herz … .
Ich habe nur geweint und mich gefragt was ich falsch gemacht habe, um das Ganze zu verdienen. Es ist mir nur noch schlecht gegangen. Also habe ich begonnen mich zu fragen, was es eigentlich ist, das mich so verletzt, traurig und wütend macht. Es hat mir meinen ganzen Mut abverlangt, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Ich war schonungslos zu mir selbst, habe mir Dinge eingestanden und konnte mir endlich auch den Teil anschauen und anerkennen, den ich mir in meiner „Außen-Phase“ nicht erlaubt habe, zu sehen.
Diese Gedanken waren schwer auszuhalten. Ich konnte mich dabei beobachten, wie ich immer, wenn es mir nicht gut ging, sofort jemandem anrufen, die nächste Aufstellung machen oder jemandem um Rat fragen wollte. Der Impuls, den auf mich zurollenden Gedanken ausweichen zu wollen, war sehr groß. Eines Tages, als ich schon wieder das Bedürfnis hatte jemanden anzurufen, zwang ich mich es nicht zu tun. Stattdessen bin ich mit mir in meine Weiblichkeit gegangen und habe alldem in mir gelauscht und dabei Rotz und Wasser geheult.
Ich bin den Gefühlen nicht mehr ausgewichen, keines habe ich von mir weggeschoben. Ich habe mich vorher immer verurteilt, wenn ein Anflug von Hass oder Verachtung hochgekommen ist und mir vorgeworfen, nicht spirituell genug zu sein. Dann habe ich allerdings begriffen, dass das auch ein Teil von mir ist, der gesehen und angenommen werden möchte. Wenn also solche Gefühle aufgekommen sind, habe ich auch diese willkommen geheißen, egal ob mich manche dann für weniger spirituell, weiblich oder was auch immer hielten. Diese Teile werden so ungern an uns gesehen, wie ich selbst in dieser Zeit erfahren durfte. In jedem wohnen die schönen, sonnigen Teile des Selbst, die immer willkommen sind, aber eben auch die dunklen Anteile. Wenn mich jemand nur mag, wenn ich lache und strahle, aber nicht, wenn ich deprimiert bin oder nicht angemessen leise rede, dann mag er mich nicht als Ganzes und kann mich aus als solches nicht annehmen. Zum weiblichen Mysterium gehört das Dunkle. Wenn ich diesen Teil nicht in mir annehmen kann, werde ich nie ganz ich sein und das möchte ich nicht, also passe ich mich nicht mehr dem braven, netten, immer lächelnden Frauenbild an, sondern lerne auch meinen Hass, Unmut oder Zorn als Teil von mir anzunehmen, denn das bin auch Ich.
Der Neuanfang …
So eine Trennung bringt auch was Gutes mit sich – plötzlich ist auch Platz für die Dinge, die man schon immer machen wollte, die aber in der Beziehung irgendwie nie Platz gefunden haben. Außerdem hat man plötzlich mehr Zeit für sich. In Zeiten, in denen ich nicht mit mir gearbeitet habe, stand es um die Beziehung zu mir selbst nicht immer gut. Ich habe zu wenig Zeit mit mir verbracht, zu wenig Zeit mir selbst zugehört, habe vergessen mich selbst zu loben und aufzumuntern, mich zu wenig von mir selbst berühren lassen. Da machte ich mir mein jetziges Wissen zu Nutze und wurde schon wieder meine eigene Klientin. Ich habe alle Übungen an mir angewendet, die ich nur kannte und habe so eine schöne und intensive Zeit mit mir verbracht wie noch nie, glaube ich. Meinen Körper habe ich jeden Tag berührt – von oben bis unten. Mit einer Langsamkeit und Achtsamkeit habe ich jedem Zentimeter meines Körpers Liebe gegeben und so meinen Tempel weich gemacht, damit der Panzer nicht fest und hart wird, der gerade in solchen Situationen bei uns Menschen wächst. Und es ist mir gelungen, worauf ich sehr stolz bin. Jeden Tag verbringe ich eine gewisse Zeit mit mir, um zu üben, zu meditieren, in meine Mitte zu kommen, mit meiner Gebärmutter zu sprechen und den Körper weich zu machen. Ich baue mich auf, bis dann wieder etwas passiert, das mich zu Boden fallen lässt. Dann fängt alles wieder von vorne an – ich spüre, weine, übe, meditiere, zentriere, tanze. Und dann geht es mir wieder gut. Was am Anfang Wochen gedauert hat, sind jetzt Tage und manchmal nur Stunden. Das hängt auch davon ab, wie sehr ich mich in die Gedanken, die mein Kopf produziert, verwickeln lasse.
Ich bin noch nicht heil und zusammengeflickt, aber auf dem besten Weg. Die Wunden schließen sich langsam, da ich mich sehr gut um mich kümmere. Je länger man am anderen hängen bleibt, desto schwieriger wird das Ganze und das möchte ich nicht mehr. Ich will für mich und meine Kinder leben und nicht mehr etwas oder jemandem nachzutrauern, das oder der in der Vergangenheit liegt. Die Dinge, die mir früher solche Angst eingejagt haben, sind gar nicht so schlimm. Ich komme mit mir sehr gut klar. Ich versuche meine Energie nicht mehr in die Beschäftigung mit einer nicht mehr existierenden Partnerschaft zu stecken, stattdessen investiere ich jetzt in die wichtigste Beziehung, nämlich die zu mir Selbst.
Was ich verstehe …
In dieser für mich schwierigen und traurigen, aber auch schönen und neuen Zeit war ich dankbar für meine Selbstständigkeit, da sie mir erlaubte mir selbst genug Zeit zu geben, alle Seiten an mir anzuschauen. Wenn eine Frau verletzt oder verlassen wird, wird sie emotional und da kann es schon mal vorkommen, dass der Drache oder die Furie aus ihr rauskommt. Als solche werden wir oft nicht verstanden, sondern verurteilt. Ich glaube, wenn wir mehr Raum für all diese Gefühle und Emotionen hätten, wäre vieles einfacher. Aber in dieser männlichen, strukturierten und angepassten Welt, hat das wirklich Weibliche wenig Platz. Ich selbst blieb eine Weile in dem Männlichen und es war auch gut so. Geholfen hat mir allerdings das Eintauchen in das ganz Weibliche, in den Moment, der gerade ist, egal ob ich eben eine Furie oder ein spuckender Drache bin oder die gebrochene und traurige Paulina.
Der Mensch neigt schon sehr dazu, die Dinge zu lösen und weghaben zu wollen. Der Wunsch alles zu verstehen, und zu analysieren ist groß – so wie sich im eigenen Kopfkino, den Gedanken und Thesen zu verlieren. Zumindest mir ist es am Anfang so gegangen. Das Weibliche, das mir so eigen ist, arbeitet komplett anders. Man kann es nicht mit dem Verstand erklären. Es ist die Stille, der Moment, die Meditation, die Verbindung zum eigenen Tempel, das Zentrieren der eigene Mitte ….. und aus dem, den Mut zu haben dem eigenen Mist ins Auge zu schauen und zu lernen, diesen Mist langsam und geduldig loszulassen. Lernen, die eigene Magie zu verwenden und dem inneren Wissen zu folgen, das so tief in uns verborgen und verwurzelt liegt und darauf wartet, endlich genutzt zu werden.
Robert
30. Januar 2021 @ 19:06
Hallo liebe Paulina,
ich habe gerade Deinen Blogbeitrag gelesen. Er hat mich sehr berührt und es sind Tränen gefloßen, da ich vor kurzem auch all die Stationen und Transformationen durchleben durfte um endlich zu mir selbst zu finden. Vielen Dank für deinen Beitrag.
Herzensgruß Robert